Vorgeschichte
Im Herbst 2017 stieß ich auf die Ankündigung einer Kickstarter-Kampagne zu einem neuen, rein elektronischen Teleskop mit vielversprechender Beschreibung. Ein komplettes Teleskop mit integrierter Kamera, digitalem Okular, eingebauter Stromversorgung und einer zumindest von der ersten Beschreibung her fast unglaublichen Leistungsfähigkeit? Die ersten Beispielbilder des Prototypen bestätigten diese Ankündigung in beeindruckender Art und Weise. Somit wurde mein Wunsch, dieses Teleskop zu erwerben, immer ausgeprägter.
Im November 2017 fand die Kickstarter-Kampagne statt und ich war unter den Super-Early-Birds. Die angekündigte Wartezeit bis zur Auslieferung im November 2018 fand ich durchaus angemessen. Hier kam es dann allerdings zu immer neuen Technik- oder Lieferanten-bedingten Verschiebungen bis hin zu den Verzögerungen durch Corona.
Lieferung
Und dann kam im Frühjahr 2020 die Mitteilung, dass am Folgetag ein Paket angeliefert würde. Pünktlich am frühen Vormittag konnte ich ein relativ großes Paket ins Wohnzimmer tragen und öffnen. Beim sukzessiven Auspacken kamen dann das Stativ, der mitbestellte Rucksack, das Teleskop und das Ladegerät zum Vorschein.
Der Rucksack ist eine ausgesprochen angenehme Aufbewahrungs- und Tragemöglichkeit. Das Teleskop enthält sowieso alle wesentlichen Komponenten, das Stativ kann seitlich festgeschnallt werden und im Zubehörfach finden das kleine Ladegerät und zwei Imbusschlüssel (für die eventuell einmal erforderliche Kollimation und das Nachspannen der Stativklemmen) Platz.
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First Light
Bereits am nächsten Abend baute ich das Teleskop auf meiner Terrasse auf und schaltete es ein, obwohl es noch recht hell war und ich mit bloßem Auge erst Vega und Arktur erkennen konnte. Auf dem Display des verbundenen Smartphones erschienen allerdings bereits reichlich Sterne, so dass ich versuchsweise das Plate Solving startete. Bereits nach wenigen Sekunden erschien die Meldung, dass die Felderkennung erfolgreich war. Dann wählte ich den Stern Arktur an, der nach wenigen Sekunden auf dem Display sichtbar wurde als weißer Stern auf hellblauem Grund. Hier brauchte man wirklich keine weitere Bildverstärkung, aber als ich den Button für ‚Enhanced Vision betätigte, erschien prompt ein golden strahlender Stern auf pechschwarzem Untergrund. Was für ein Unterschied!

Noch während der Dämmerung versuchte ich mich erfolgreich an diversen anderen Objekten, die immer exakt in der Mitte des Bildfeldes landeten. Besonders überrascht war ich, als ich anderthalb Stunden vor Beginn der astronomischen Nacht M51 anwählte und kurz danach in einer Qualität angezeigt bekam, wie ich es hier unter meinem hellen Stadthimmel visuell in meinem C9.25 noch nie erblickt hatte.

Second Light
Der zweite Test gemeinsam mit vier Astrofreunden auf einem Berg im Siebengebirge war noch erfolgreicher. Neben vielen schwierigen Objekten führen wir diverse Tests durch. So wurde zum Beispiel der Kugelsternhaufen M4, der gerade einmal 4° über dem dunstigen Horizont stand und im Feldstecher nicht einmal als Hauch erkennbar war, einwandfrei abgebildet.
Besonders die klare Darstellung und die deutlichen Farben (beides im elektronischen Okular noch besser als auf dem Display des Tablets) beeindruckten uns alle. Auch live auf dem Display zu verfolgen, wie ein Objekt angefahren wurde, selbst in der live-Anzeige bereits gut erkennbar war und sich dann im Enhanced-Vision-Modus in zunehmend besserer Qualität präsentierte, war ein Genuss.

Die verbaute Technik
Die Optik
Das eVScope verfügt am Ende des Tubus über einen 112mm großen parabolischen Spiegel, der das erzeugte Bild im Tubus wieder zur Öffnung hin projiziert. Anstelle eines Fangspiegels, wie bei einem herkömmlichen Newton-Teleskop, sitzt auf der Innenseite der Spinne direkt die Kamera, die das aufgefangene Licht in ein digitales Signal umwandelt.
Die Kamera
Die verbaute Kamera nutzt den Sony CMOS-Chip IMX224, der auch von Sony selbst mit seiner besonderen Lichtempfindlichkeit beworben wird. Dieser Chip wird etwa in (selbstfahrenden) Autos verbaut, wo es auch in der Nacht auf eine optimale Erkennbarkeit der umliegenden Objekte ankommt. Im 4:3-Format verfügt er über 1.280 x 960 genutzte Pixel und damit über 1.23 MPixel. Jedes Pixel ist 3.75µm x 3,75µm groß, so dass der Chip insgesamt 4,8mm x 3,6mm groß ist (Diagonale 6mm).
Dieser Chip verfügt angenehmerweise über eine erhöhte Infrarot-Empfindlichkeit und einen 12-Bit A/D-Wandler. Die Lichtempfindlichkeit wird mit 0,005 lux angegeben und der Gain kann bis 72 dB geregelt werden.
Das nicht variable Bildfeld ist damit etwa 30 Bogenminuten hoch (1/2 Grad) und 38 Bogenminuten breit. Damit passen der Vollmond oder die Sonne noch hinein – und man hat einen guten Anhaltspunkt dafür, was geht und was nicht.

Die Andromeda-Galaxis M31 ist zu groß, um sie in einem Stück ins Bild zu bekommen und Jupiter etwas zu klein (ca. 25 Pixel), um Oberflächendetails hochauflösend darzustellen. Der Umlauf der Monde um Jupiter dagegen lässt sich wunderbar verfolgen.
Die Stromversorgung
Der eingebaute Akku hat bei voller Ladung eine Betriebsdauer während einer durchschnittlichen Beobachtungssession von 9 Stunden, was eigentlich immer ausreichen sollte. Geladen wird er über USB-C, wobei eine volle Aufladung mit dem mitgelieferten kleinen Ladegerät rund 7 Stunden benötigt.
Bereits während der Ladephase kann das eVScope übrigens schon wieder benutzt werden.
Die Nachführung
Nicht nur die Felderkennung und das Anfahren eines Objektes funktionieren geradezu perfekt. Auch das automatische Nachführen erledigt das eVScope mit Bravour. Da es sich um eine Alt/Az-Montierung handelt, würde nach kurzer Zeit eine Drehung des beobachteten Bildfeldes erfolgen. Dies wird intern vollautomatisch ausgeglichen (derotating), so dass auch bei ggf. minutenlangem Beobachten eines Objektes und Sammeln der Photonen die Sterne punktförmig bleiben.
Die Montierung macht einen äußerst stabilen Eindruck und lässt keinerlei Spiel erkennen. Sie ist optimal an das verbaute Teleskop angepasst, an dem ja auch keinerlei weiteres Zubehör mehr befestigt werden muss.
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Die App
Die App stellt alle Funktionen bereit, die bei einem herkömmlichen GoTo-Teleskop vom Handcontroller übernommen werden. Zusätzlich liefert sie aber auch ein live- oder EnhancedVision-Bild des beobachteten Objektes (nicht ganz so brillant wie im elektronischen Okular).
Eine weitere wichtige Möglichkeit ist die Aufnahme von dark frames, Aufnahmen, die bei verschlossenem Teleskop gemacht werden und damit nur noch das Rauschen der Elektronik und eventuelle Hotpixel enthalten. Diese dark frames werden dann später automatisch von den gemachten Aufnahmen subtrahiert und dienen so zu einer deutlichen Bildverbesserung. Da das Rauschen temperaturabhängig ist, empfiehlt es sich, das Teleskop schon mindestens 20 Minuten am Beobachtungspunkt aufgebaut zu haben, damit die Temperaturanpassung erfolgt ist, ehe solch eine Aufnahme gemacht wird. Das dark frame bleibt gespeichert, bis es überschrieben wird. Auch wenn ich mein eVScope noch nicht allzulange besitze, erscheint es mir sinnvoll, mindestens zu jeder Jahreszeit (Frühling, Sommer, Herbst und Winter) diese Dunkelfeldaufnahme zu erneuern.
Der Aufbau des eVScopes
Der Aufbau des eVScopes gestaltet sich überraschend schnell! Da nur zwei Teile – das Stativ und das Teleskop – überhaupt benötigt werden und keinerlei Verkabelung erforderlich ist, lässt sich das ganz gemütlich innerhalb von wenigen Minuten erledigen.
Aufbau Nivellierung des Stativs: 1 Minute
Einsetzen des Teleskops: ½ Minute
Teleskop einschalten und auf die GPS-Synchronisation warten: ½ Minute
App auf dem Tablet oder Smartphone starten und mit dem WLAN des Teleskops verbinden: 1 Minute
Teleskop per App auf einen hellen Stern ausrichten und fokussieren: 1 Minute
Felderkennung starten: ½ Minute
Die Nutzung des eVScopes
Ab jetzt kann das gewünschte erste Zielobjekt ausgewählt und (automatisch) angefahren werden. Man sieht im Okular und auf dem Display des Smartphones oder Tablets ein live-Bild (mit viel Rauschen), auf dem aber hellere DeepSky-Objekte (DSOs) bereits erkennbar sind.
Ein Druck auf den EnhancedVision-Button lässt dann bereits nach wenigen Sekunden das Objekt in drastisch besserer Qualität erkennen. Und diese Qualität nimmt weiter zu und ein Restrauschen weiter ab.
Der Wahlspruch „100x leistungsfähiger…“
Was ist nun mit dem Werbespruch „100 mal leistungsfähiger als ein normales Teleskop“
Visuell
Tatsache ist es tatsächlich, dass man auch mit einem viel größeren Teleskop die beobachteten Objekte niemals in dieser Farbenpracht erblicken wird, wie sie das eVScope liefert. Mit deutlich (!) größeren Teleskopen erkennen geübte Beobachter vielleicht auch viele Details, die das eVScope fast sofort liefert.
Vergleich Fotografie
Astrofotografisch ist es keine Frage, dass sich mit großen Kameras (die teilweise 16 MPixel haben) Deep-Sky-Objekte genauer und detailreicher fotografieren lassen. Aber – hierfür sind neben der Kamera ein geeignetes Teleskop, eine gute Montierung, ein Computer und die Komponenten für das erforderliche Autoguiding nötig.
Vergleich unter schwierigen Bedingungen
Ein Beispiel, das mich und mehrere Astrofreunde bereits während der ersten gemeinsamen Beobachtung zutiefst erstaunt hat, war die Beobachtung von Messier Nr. 4.
Dieser Sternenhaufen stand lediglich 4° über dem (dunstigen!) Horizont und war selbst im Feldstecher nicht zu erkennen. Der danebenstehende Antares war nur als gelbliches Pünktchen zu ahnen. Aber im eVScope wurde die Struktur des Sternhaufens in Sekunden deutlich angezeigt.

Der Vergleich mit visueller Astronomie und Astrofotografie
Einen überzeugten visuellen Beobachter, der auch gerne mal mit einem 16“- oder 20“-Dobson zu dunklen Standorten fährt und sich dort auf die Jagd nach fernen Objekten macht, wird das eVScope höchstens als Zweitinstrument interessieren. Der eigentliche Reiz für ihn liegt daran, diese schwachen Objekte selbst aufzuspüren und zu erkennen.
Auch für den überzeugten Astrofotografen stellt das eVScope keine Alternative, sondern eine Ergänzung dar. Die Aufnahmen, die mit hochwertigem und (!) hochpreisigem Equipment und mit viel zeitlichem Aufwand möglich sind, übersteigen die Möglichkeiten des eVScopes bei weitem.
Aber für den „normalen“ Hobbyastronomen, für den auch der Umgang mit dem Smartphone zur Normalität gehört, stellt das eVScope sicherlich eine gute Option dar. Auch unter erschwerten Bedingungen wie vom Balkon oder unter hellem Stadthimmel dennoch schnell eine Vielzahl interessanter Objekte in hoher Qualität beobachten zu können, ist eine bisher in dieser Qualität nicht vorhandene Möglichkeit.
Und als Reiseteleskop ist das eVScope ebenfalls ein tolles Gerät. Alles passt in den Rucksack, kein umständlicher Aufbau oder gar Verkabelung sind vor Ort erforderlich und innerhalb von ein paar Minuten ist man schon bereit zum Beobachten und auch zum Fotografieren.
Fazit
Am Ende dieses Erfahrungsberichts eVScope stellt sich die Frage: Ist das eVScope denn nun seinen nicht unbeträchtlichen Preis wert? Und welche Zielgruppe bietet sich an?
Für jemanden, der nicht mehr als 300€ in das Hobby Astronomie investieren möchte, scheidet das eVScope natürlich aus. Hier bietet sich eher ein neuer 6“-Dobson oder ein gebrachter 8“-Dobson an.
Für jemanden, der das Ziel anstrebt, Astrofotografie in der oberen Liga zu betreiben, stehen dagegen noch deutlich höhere Investitionen und ein viel größerer Zeitaufwand an. So läuft die Aufnahme eines einzelnen Objektes oft über eine ganze Nacht (manchmal sogar mehrere) und erfordert stundenlange Nachbearbeitung.
Das heißt, die eigentliche Zielgruppe des eVScopes liegt zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Das eVScope schafft es, auch schwierige Objekte unter nicht optimalen Bedingungen aufzufinden und in einer erstaunlich hohen Qualität zu präsentieren. Hat man die Möglichkeit, die erforderlichen Kosten dafür aufzubringen, wird man fast mit einem Universum neuer Möglichkeiten belohnt.
Ich persönlich habe die Anschaffung des eVScopes keine Sekunde bereut und für mich unter hellem Stadthimmel sind auf einmal Möglichkeiten wie die „Abarbeitung“ des Herschel-400-Katalogs greifbar geworden.
Hinweis: Seit kurzem ist das herkömmliche eVScope nicht mehr verfügbar. Als direkter Nachfolger gilt des eVScope Equinox (gleicher Aufbau, jedoch ohne Okular, also Anzeige des Bildes nur via Tablet/Smartphone).
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